Streichergipfel 2022

„Wir wurden in immer zauberischere Kreise hineingezogen“

Foto © Wikipedia/Josef Kriehuber (1800–1876)/Wikipedia

Text: Philipp Leibbrandt

Oft kann eine einzige Begegnung die Weichen für das ganze Leben stellen. Im Leben von Johannes Brahms gehört sein Zusammentreffen mit Robert und Clara Schumann im September 1853 zweifellos zu diesen Momenten.

Brahms zeigte schon in jungen Jahren großes musikalisches Talent und trotz der ärmlichen Verhältnisse, in die er hineingeboren wurde, förderten ihn die Eltern so gut es ging. Er spielte Klavier und Cello, komponierte Werke und veröffentlichte diese zunächst unter verschiedenen Pseudonymen. Im Jahr 1853 – mit gerade 20 Jahren – gelang ihm schließlich der nächste Schritt. Zusammen mit dem ungarischen Geiger Eduard Reményi ging er auf eine Konzertreise durch Norddeutschland und nach Göttingen und Weimar.

Der junge Johannes Brahms und der Geiger Eduard Reményi.
Brahms im Alter von 20 Jahren. Zeichnung mit Silberstift von Jean-Joseph-Bonaventure Laurens.

In jener Zeit lernte Brahms auch den Geiger Joseph Joachim kennen, mit dem er bald eine enge Freundschaft schloss. Joachim erinnert sich begeistert an das erste Zusammentreffen: „Nie in meinem Künstlerleben war ich von freudigerem Staunen übermannt worden, als da mir der fast schüchtern aussehende blonde Begleiter meines Landsmannes mit edlem, verklärten Antlitz seine Sonatensätze von ganz ungeahnter Originalität und Kraft vorspielte. Wie eine Offenbarung fasste es mich, als das Lied ‚O versenk’ dein Leid‘ damals schon mir entgegenklang. Dabei ein Klavierspiel so zart, so phantasievoll so frei, so feurig, daß es mich ganz in seinem Banne hielt.“

Höhepunkt der Konzertreise und Startschuss für Brahms’ Karriere war der Besuch bei den Schumanns in Düsseldorf, zu dem ihm Joachim riet. Der Eindruck, den der junge Brahms dort hinterlassen hat, muss außerordentlich gewesen sein. Ein Freund von Robert Schumann, der Komponist Albert Dietrich war ebenfalls zugegen und schreibt darüber später: „Und nun führte er mir den jugendlichen, so interessant, wie eigenartig aussehenden jungen Musiker zu, der in seiner noch beinahe knabenhaften Erscheinung, mit seiner hellen Stimme, den langen blonden Haaren, in seinem schlichten grauen Sommerröckchen einen höchst anziehenden Eindruck machte. Besonders schön war an ihm der energische, charakteristische Mund, und der ernste, tiefe Blick, in dem sein ganzes geniales Wesen sich aussprach. Brahms wurde aufgefordert, zu spielen, und trug die F-dur Toccata von Bach und sein es-moll Scherzo (in einer Abendgesellschaft bei Euler) mit wunderbarer Kraft und Meisterschaft vor; seiner damaligen Gewohnheit gemäß summte er, vor innerer Erregung bebend die Melodie halblaut mit und hielt das Haupt tief über die Tasten gebeugt. Gegen die auf das Spiel folgenden übermäßigen Lobsprüche verhielt er sich bescheiden ablehnend.“

Und auch Clara Schumann war sichtlich überwältigt von dem Zusammentreffen. Sie notiert in ihr Tagebuch: „Dieser Monat brachte uns eine wunderbare Erscheinung in dem 20jährigen Komponisten Brahms aus Hamburg. Das ist wieder einmal einer, der kommt wie eigens von Gott gesandt.“

Schließlich griff Robert Schumann selbst zur Feder. In der von ihm gegründeten „Neuen Zeitschrift für Musik“ verfasste er unter dem Titel „Neue Bahnen“ jenen berühmten Artikel, in dem er mit geradezu prophetischen Worten das Kommen eines ganz Großen ankündigt: „Ich dachte, […] es würde und müsse […] einmal plötzlich Einer erscheinen, der den höchsten Ausdruck der Zeit in idealer Weise auszusprechen berufen wäre […]. Und er ist gekommen, ein junges Blut, an dessen Wiege Grazien und Helden Wache hielten. Er heißt Johannes Brahms, kam von Hamburg, dort in dunkler Stille schaffend, aber von einem trefflichen und begeistert zutragenden Lehrer gebildet in den schwierigsten Satzungen der Kunst, mir kurz vorher von einem verehrten bekannten Meister empfohlen. Er trug, auch im Aeußeren, alle Anzeichen an sich, die uns ankündigen: das ist ein Berufener. Am Clavier sitzend, fing er an wunderbare Regionen zu enthüllen. Wir wurden in immer zauberischere Kreise hineingezogen.“

Johannes Brahms circa 1855

Dieses öffentliche Empfehlungsschreiben markiert sicherlich nicht nur den Beginn der Wahrnehmung von Brahms als Pianist und Komponist, sondern kann auch als Anfang der Freundschaft mit den Schumanns gesehen werden. Als sich Robert Schumanns Gesundheitszustand aufgrund seiner psychischen Leiden bereits wenig später dramatisch verschlechterte, hielt Brahms engen Kontakt zu ihm. Er mietete ein Zimmer in der Nähe, besuchte ihn in der Nervenheilanstalt und blieb bekanntlich auch mit Clara zeitlebens eng verbunden.

Von der tiefen Freundschaft zwischen Schumann und Brahms zeugt auch unser diesjähriger Streichergipfel 2022. Unter dem Motto „Schumann-Brahms“ erklingen am 16. und 17. Juli Höhepunkte des kammermusikalischen Schaffens der beiden Komponisten. Mit von der Partie sind Studierende und Alumni der Kronberg Academy – der Schmiede für Ausnahmetalente. Wie damals dem jungen Brahms, ist auch diesen jungen Virtuosinnen und Virtuosen eine glänzende Laufbahn auf den internationalen Bühnen gewiss.

Streichergipfel 2022 – Konzerte

16.7. | Sa. 19 Uhr | K 45

Schloss Johannisberg
Fürst von Metternich Konzert-Kubus

Studierende und Alumni der Kronberg Academy

Johannes Brahms: Violinsonate d-Moll op. 108
Robert Schumann: Fantasiestücke für Violoncello und Klavier op. 73
Johannes Brahms: Klavierquartett Nr. 1 g-Moll op. 25

 

17.7. | So. 11 Uhr | K 46

Schloss Johannisberg
Fürst von Metternich Konzert-Kubus

Studierende und Alumni der Kronberg Academy

Robert Schumann: Violinsonate Nr. 1 a-Moll op. 105
Johannes Brahms: Cellosonate Nr. 2 F-Dur op. 99
Robert Schumann: Klavierquartett Es-Dur op. 47

 

 

17.7. | So. 18 Uhr | K 47

Schloss Johannisberg
Fürst von Metternich Konzert-Kubus

Studierende und Alumni der Kronberg Academy

Johannes Brahms: Violinsonate Nr. 1 G-Dur op. 78
Robert Schumann: Märchenbilder für Viola und Klavier op. 113
Johannes Brahms: Streichsextett Nr. 1 B-Dur op. 18

Buchen Sie zum Konzert am 17.7. um 18 Uhr (K 47) exklusiv ein Burgdinner auf Burg Schwarzenstein: Burgdinner zu 88,– Euro inkl. Aperitif und Menü, ohne Getränke Weitere Informationen zur Buchung und zum Ablauf des „Konzert mit Burgdinner“ erhalten Sie telefonisch unter 0 67 23 / 60 21 70.