Jazzrausch Bigband & Roman Sladek

Grenzen? Wozu!

© Sebastian Reiter

Text: Christoph Vratz

Wie man es auch dreht und wendet: Die Jazzrausch Bigband ist dafür bekannt, die Grenzen in jeglicher Hinsicht auszuloten und sie auch gern mal zu überschreiten. Nicht nur in ihrer Musik, in der sie die verschiedensten Stile mischen, sondern auch in der Wahl ihrer Konzertorte oder der Veranstaltungsformate. In diesem Sommer haben sie wieder etwas Neues im Gepäck: den Jazzrausch Bigband Super Rave. Fünf Stunden Jazz, Techno und Bigband-Sound, der in einen Ausklang mit DJ mündet. Und so sprengt dieses Ensemble nun ein weiteres Mal die Grenzen – mit dem längsten Konzert der Festival-Geschichte!

Manchmal hilft ein Blick durchs Mikroskop. Man würde den Namen Beethoven nicht automatisch mit Jazz in Verbindung bringen. Doch schaut man in seine letzte Sonate mit dem langen Variationensatz, so gibt es dort einzelne Rhythmen, die man tatsächlich als eine der frühen Keimzellen des Jazz werten könnte. Vor diesem Hintergrund wirkt es allerdings immer noch recht gewagt, ein Album mit „Beethoven’s Breakdown“ zu betiteln. Oder, sogar noch mutiger, mit „Bruckner’s Breakdown“. Scheint doch gerade Bruckner, der Anton aus dem Linzer Land, als Jazz-Inspiration denkbar wenig geeignet. Aber warum eigentlich nicht?

Bei Roman Sladek und seiner Jazzrausch Bigband geht es nie um ein krampfiges Passend-Machen, was nicht passen könnte. Sondern um Mut! Um Gedankenfrische! Um die Lust am Experiment! Die Geschichte der Jazzrausch Bigband begann im März 2014 im Münchner Club „Rausch & Töchter“. Spiritus rector war und ist Roman Sladek, der 1999 nahe Nürnberg geborene Posaunist und Bandleader. „Ich habe den wirtschaftlichen Erfolg von Anfang an mit eingeplant und Strukturen entwickelt, die nicht über eine Privatfinanzierung funktionieren – dass wir eine große Mischkalkulation haben, dass manche Shows mehr abwerfen als andere und ich immer eine Festgage für alle Musiker ausgeglichen habe.“ Klingt erstaunlich nüchtern, ist aber sicher Teil jener Erfolgsgeschichte, die mit dem Namen Jazzrausch inzwischen verbunden ist – und zugleich das Ergebnis von Sladeks breiter Ausbildung: je ein pädagogisches Diplom für klassische Posaune und Jazzposaune; künstlerisches Diplom für klassische Posaune, Master für Jazzposaune und Master für Kultur- und Musikmanagement. „Mir geht es bei der Musik nicht um die fachliche Exzellenz allein“, hat er in einem Zeitungs-Interview gestanden. „Ich möchte mich nicht bloß auf dem Instrument austoben, sondern auch darin, Zustände, Stile, Orte völlig neu zusammenzubringen.“ Sladek ist Motor und ein unermüdlich kreativer Kopf, in dem keine Pausen- oder gar Stopptaste verbaut scheint.

© Ansgar Klostermann Rheingau Musik Festival

Daher ist die Jazzrausch Bigband längst kein Geheimtipp mehr. Weltweit touren sie durch Konzertsäle und Clubs. Zu den Grundsubstanzen des Erfolgs zählt eine schlüssige Mischung aus Swing und modernem Jazz, die eben Klassiker wie Beethoven und Bruckner nicht umschifft, sondern die Keimzellen ihrer Musik herausgreift und sie zu Techno mutieren lässt. So führt man Menschen mit unterschiedlichen Interessen und Vorlieben zusammen, bringt sie zum Staunen, lädt sie zum Weitererzählen und Wiederkommen ein. Strenge Genre- oder Epochen-Kategorisierungen haben ihm ohnehin nie gefallen, gibt Sladek unumwunden zu. „Denn wenn ich etwas Jazz, Klassik, House oder wie auch immer nenne, spreche ich zwar die Fans des jeweiligen Genres an – schließe aber alle anderen aus. Mir gefällt es viel besser, den Leuten zu sagen: ,Lass’ dich einfach mal auf die Musik ein‘ – und sie danach sagen zu hören: ,Krass, jetzt habe ich versehentlich ein Streichquartett gehört. Und fand’s richtig gut.‘“ Mit Musik zu begeistern, kann manchmal so einfach sein.
Doch dazu braucht es auch tolle Musikerinnen und Musiker, die bereit sind, diesen so unverkrampft wirkenden Weg auch mitzugehen. 25 sind es aktuell auf der Homepage. „Dass man als Big Band Techno spielt, ist so ziemlich das Spießigste, was man überhaupt machen kann“, so Sladek. „Das mutet zwar innovativ an, ist aber relativ piefig. Zur Zeit der Big-Band-Ära war Swing die Tanzmusik. Heute treffen sich die Leute zu Techno, das ist halt jetzt die Tanzmusik. Und das mit einer Band darzustellen, ist quasi nur ein Zeitsprung. Aber es ist in beiden Fällen eine Musik, die zum Tanzen einlädt und auf einer lustvollen Ebene unterhält, bei der es aber trotzdem möglich ist, relativ viel musikalische Raffinesse einzubringen – beim Techno genauso wie beim Swing.“

Konzert

K 30 | 8.7. Sa. 20 Uhr
Schlachthof Wiesbaden

Jazzrausch Bigband Super Rave